re:publica 2014 – das Mekka der Datenbrillen

Braucht man in der Wildnis Datenbrillen? Anscheinend, denn das Motto der diesjährigen re:publica war “Into the Wild”. Ich habe in der realen Wildnis auf dem Gelände der Station Berlin noch nie so viele verschiedene Datenbrillen auf einem Fleck versammelt gesehen. Selbst die IT-Messe CeBIT 2014 konnte der re:publica in diesem Punkt nicht das Wasser reichen.

Auf dem letzten Treffen der Internetgemeinde in 2013 war ich mit meinem Fake-Modell der Google Glass der Einzige mit einer Datenbrille. Das brachte mir damals eine sehr große Aufmerksamkeit und machte mein Newbie-Debüt auf Europas größter Veranstaltung dieser Art zu einem vollen Erfolg. In diesem Jahr hätte sich kein Blogger, Nerd oder Journalist nach mir auch nur umgedreht, hätte ich das Ding aus dem 3D-Drucker wieder auf der Nase gehabt. Denn wer fällt schon auf ein Fake rein, wenn es das Original zu sehen und zum Aufsetzen gibt.

Am Stand meiner Lieblingsfirma für Augmented Reality, Metaio ging es zu wie beim Cyper-Optiker. Hatten die Kollegen aus München nicht nur eine echte Google Glass, sondern auch ein Modell der Datenbrille von Epson am Stand in der Eingangshalle. Direkt daneben, hinter den Schuhen für Atheisten gab es den “Demonstrator” des Fraunhofer Instituts COMMED aus Dresden zu bewundern.
Doch damit nicht genug. Am dritten Tag der re:publica, nachdem die Media Convention Berlin in der Halle dahinter der Droidcon Platz gemacht hatte, waren in gerade einmal zwanzig Metern Entfernung ein Prototyp der neuen Sony Datenbrille und die am Vortag in den USA erschienene Epson Moverio BT-200 am Epson Stand verfügbar. Ich war begeistert und habe sie alle aufgesetzt und ausgetestet. Mein Partner und Bloggercamp.tv Kollege Gunnar Sohn hat mich schon als “Brillenschlange” bezeichnet.

Womit er nicht ganz Unrecht hatte der liebe Gunnar, ich habe jede der Brillen ausprobiert und auf der Nase gehabt. Hier mein Vergleich und Fazit:

1. Google Glass
Die kleinste und leichteste Brille, damit wäre die Glass auch die Unauffälligste. Leider ist sie Dank des Herstellers Google besonders in Deutschland nicht wohl gelitten. Die Glass ist nur in einem vorhandenen WLAN autark ohne Smartphone zu tragen. Hält aber bei hoher Beanspruchung wie Video oder Augmented Reality nur 15 bis 20 Minuten durch. Mit 1.500 Dollar plus Steuer ist die Glass derzeit noch sehr teuer. Da sich der Durchsichtbildschirm über und nicht vor dem Auge befindet, ist die Glass eigentlich keine “echte” Augmented Reality Brille.

Über die Google Glass habe ich mich auch mit dem ehemaligen Google Pressesprecher, Stefan Keuchel unterhalten. Er bedauert genau wie ich, dass Google die Videochatfunktion softwareseitig abgestellt hat. Keuchel hält diese Feature genau wie die Navigation mit der Datenbrille für die Killer Applikationen. Auch eine Einbindung in einen Hangout on Air ist mittlerweile damit nicht mehr legal möglich.

2. Epson Moverio BT-200
Die Moverio BT-200 ist die derzeit einzige in großen Stückzahlen zu einem nachvollziehbaren Preis erhältliche “echte” Augmented Reality Brille. Mit 699,99 Dollar mehr als die Hälfte günstiger als eine Google Glass. Für diesen Preis bekommt der Käufer aber auch ein viel größeres Volumen und eine Datenbrille mit ausgelagerter Prozessoreinheit und Batterie. Deshalb muss man mit einem etwa vier Millimeter dicken Kabel vom Kopf zur Steuereinheit leben. Aber diese Brille verdient den Namen Augmented Reality Brille wirklich. Mit zwei großen, die Augen überdeckenden durchsichtigen Bildschirmen bietet sie eine echte Augmentierung der Wirklichkeit. Metaio hat damit die erste reine Anwendung ohne unterlegtes Kamerabild für seinen Junaio Browser entwickelt und auf der re:publica 2014 gezeigt. Auch 3D-Bilder sind damit möglich.

Epson arbeitet schon an der dritten Ausgabe, denn die Moverio hat eine Vorgänger Version, die die jetzige um 60 Prozent in Gewicht und Größe überragt. Eric Mizufuka, der für den amerikanischen Markt verantwortliche Produktmanager für die Moverio hat in einem Webinar auf diesen massiven Miniaturisierungs Fortschritt verwiesen. Leider ist die Datenbrille, laut Aussage des Europa Verantwortlichen Marc Antoine Godfroid nicht von Google zertifiziert. Somit kann man kein Google Plus Profil auf der mit Android 4.0.4 ausgestatteten AR-Brille einrichten um an einem Hangout oder Hangout on Air teilzunehmen. Die Brille kann via Bluetooth oder WLAN an das Internet angebunden werden.

3. Sony Smart Glasses
Ein ähnliches Konzept wie die Epson hat Sony in seiner auf dem Mobile World Congress erstmals vorgestellten Smart Glass umgesetzt. Allerdings ist die Anzeige nur monochrome grün und erinnert ein wenig an die ersten Computerbildschirme. Damit lassen sich aber die Gläser viel kleiner halten und die Sony sieht fast aus wie eine normale Brille, wenn das Kabel zur Steuereinheit nicht wäre.

In diesem Punkt sind sich die beiden japanischen Hersteller einig. Der gezeigte Prototyp hatte sehr zu meiner Verwunderung auch keine Ohrbügel. So muss man das Teil wie ein Monokel auf der Nase ständig festhalten. Ich hoffe das wird noch geändert. Für den Einsatz als Terminator-Terminal müsste dann noch die Farbe der Anzeige in rot geändert werden.

4. Fraunhofer COMMED Demonstrator
Kein fertiges Produkt und auch nur eine Anwendung kann man auf der Datenbrille des Fraunhofer Instituts COMMED betrachten. Die zugegebenermaßen optisch am fragwürdigsten aussehende Datenbrille bietet enorme innere Werte. Fraunhofer hat es geschafft ein OLED-Display zu produzieren und patentieren, das zu jedem Farbpixel ein auf die Augen gerichtetes Kamerapixel besitzt. Damit lassen sich die Augenbewegungen tracken. Der Demonstrator zeigt dies an einer Welttkarte, die man in sein Blickfeld eingeblendet erhält. Durch eine Veränderung der Blickrichtung verschiebt sich die Weltkarte zum angesehenen Punkt. Die monochrome Farbe hat dieser Demonstartor mit der Sony gemeinsam. Anscheinend lieben die Entwickler von Prototypen die grüne Leuchtschrift. Fraunhofer verkauft und lizenziert diese Technologie, wie mir Dr. Konrad Crämer im Live-Interview auf der re:publica verriet. Sowohl Epson als auch Metaio und Sony haben sich diese Technologie am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung angesehen. Mal sehen wer sie zuerst in seinen zukünftigen Produkten integriert.
5. Weitere Augmented Reality Datenbrillen
Gefehlt haben nur noch die Vuzix, Meta, RenconJet, Atheer One, und last but not least aus Italien, Europa die Glassup oder kennt Ihr noch weitere Augmented Reality Brillen, die schon gezeigt wurden? Wenn ja schreibt mir bitte in einem Kommentar dazu, welche Ihr noch kennt.
Fazit:
Am coolsten ist immer noch die Google Glass. Allein der Formfaktor und die Größe sprechen für diese Datenbrille. Auch die Farbe im Bild spricht für die Glass. Das beste Augmented Reality Erlebnis bietet die Epson Moverio. Damit hat man einen riesigen Flatscreen vor den Augen und die Junaio Anwendung von Metaio ist ein Riesenschritt in Richtung Augmented Reality ohne Kamerakrücke. Wer es selbst ausprobiert hat wird mir zustimmen, wenn ich das als immersive bezeichne. Von der Form und der Anmutung finde ich die Sony am Besten. Sie sieht auf den ersten Blick wie eine ganz normale Brille aus und ist damit, bis auf die fehlenden Bügel am unauffälligsten und tragbarsten. Die Fraunhofer Brille ist als Versuchsträger oder Demonstrator kein Endkundenprodukt, zeigt aber wohin die weitere Integration gehen wird. Auf der CeBIT 2013 musste ich für die gleiche Leistung an einem Messestand noch zwei Brillen übereinander aufsetzen und hatte die Augmentierung dann nur auf einem Auge.

Wenn wir uns einmal virtuell die ideale Datenbrille aus den Beispielen zusammenbauen, dann ist das ein Gerät mit dem Aussehen und Formfaktor der Sony, an der mich die dünnen Gläser und kaum sichtbar eingeschliffenen Spiegel fasziniert haben. Das Ganze mit den OLED Displays des Frauenhofer COMMED, damit die Brille weiß wohin der Nutzer blickt und in der Farbenpracht und Klarheit der Epson Moverio, ohne externe Steuerung und Kabel wie bei der Google Glass. Das wäre ein Traum.
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