Video on Demand und Digitales Storytelling – Audivisual Media Days 2014

Audio Visual Days 2014 München
Audio Visual Days 2014 München

Audio Visual Days 2014 München Foto: Schleeh

Fernsehen in der Zukunft

Am 29. und 30. April 2014 fanden in München die Audiovisual Media Days statt. Den Auftakt machte zur Zukunft des Geschichtenerzählens, Oliver Berben Filmregisseur und Produzent. Er ließ sich über die anstehenden Veränderungen in der Fernsehlandschaft aus. Noch leben wir nach seiner Aussage in Deutschland auf der Insel der Glückseligen. Aber das wird sich aus Berbens Sicht bald ändern. Die Fernsehlandschaft wird sich weiter aufspalten. In den USA produzieren Video on Demand (VOD) Anbieter wie Netflix Inhalte auch für kleine Zielgruppen und setzen auf den Longtail. Einzelne Zuschauerzahlen von Sendungen werden nicht bekannt gegeben, aber die gesamten Abonnentenzahlen des Anbieters steigen rasant. Deutschland ist in diesem Bereich noch eine Insel der Glückseligen, aber das wird sich bald ändern. Bei den Verantwortlichen in den Sendeanstalten geht die Angst um. Eine positive Angst, denn sie bewirkt ein Umdenken. Die Fokusierung auf Zielgruppen wird zukünftig aus Sicht Berbens immer wichtiger.

Audiovisual Media Days 2014 München

Audiovisual Media Days 2014 München Foto: Schleeh

Berben meint, dass das Kino bleiben wird. Der Wunsch gemeinsam eine Komödie zu erleben wird bei den Menschen weiter bestehen bleiben. Es wird sicher immer schwerer dieses Erlebnis bei den Kinogängern hervor zu rufen. Filme wie “Das Adlon” für die ganze Familie zu produzieren ist laut Berben die Königsklasse der Filmproduktion. Wenn die Menschen etwas gemeinsam erleben können und danach darüber sprechen, dann ist ein Werk gelungen.

Audio Visual Days 2014 München

Prof. Dr. Dieter Georg Herbst auf den Audio Visual Days 2014 München Foto: Schleeh

Digitales Storytelling für Marken

Den zweiten Programmpunkt zum Thema Digital Brand Storytelling bestritt Professor Dr. Dieter Georg Herbst. Er zerlegte den Prozess des Storytellings in seine Bestandteile und ließ die Anwesenden an seinen Ausführungen zur Digitalisierung teilhaben. Alice im Wunderland am iPad erzählen ist, obwohl die Story gleich bleibt, von der Erzählweise durch die Technik völlig anders möglich. Geschichten sind zeitlich und inhaltlich kausal verknüpfte Geschehnisse.

Was ist der digitale Raum und wie inszeniert man Geschichten im digitalen Raum? Wer will digitales Storytelling eigentlich bei dem derzeitigen Informations-Overload?

Die Jury im Kopf

Aus Sicht des Professors müssen die Informationen neu und wichtig sein. Unser Gehirn trennt zwischen wichtig und unwichtig und zwischen neu und alt. Neu und wichtig wird als relevant wahr genommen. Aus dem Konsum der Massenmedien entsteht 98 Prozent Informations-Abfall. Bei den US-Amerikanern gehen schon 99 Prozent in den Informations-Mülleimer. Ob wichtig oder unwichtig entscheidet unser Gehirn schon in wenigen Sekunden. Bilder werden in wenigen Millisekunden erfasst und selektiert. Rot funktioniert laut Herbst als Signalfarbe deshalb so gut, weil es sich ja um Blut handeln könnte. Deshalb war wohl die Farbe rot auf seinen Folien sehr häufig vertreten.  Eine Jury in unserem Kopf entscheidet ständig ob eine konsumierte Information den beiden Kriterien entspricht.

Erfolgsfaktoren digitaler Stories

Laut wissenschaftlichen Studien selektieren alle Menschen weltweit nach den gleichen drei Motiven Informationen aus.

Sicherheitsmotiv

Wir suchen den positiven Aspekt einer Information und meiden den negativen.

Entdeckermotiv

Menschen sind neugierig und wollen Langeweile vermeiden. Wenn es etwas zu entdecken gibt motiviert das sehr.

Dominanzmotiv

Jeder Mensch möchte sich stärker fühlen. Wir versuchen uns stark und gut zu fühlen. Wut versuchen wir zu vermeiden.

Deshalb funktionieren Heldengeschichten schon seit Urzeiten.

Um mindestens eines dieser Motive sollte sich das digitale Storytelling drehen, damit es erfolgreich beim Rezipienten aufgenommen wird. Menschen sind laut Herbst als Stimmungsmacher in den Geschichten nicht zu ersetzen. Durch sie werden Gefühle gespiegelt, er spricht vom Spiegelphänomen. Einen weiteren Erfolgsfaktor stellt die Multisensorik dar. Durch Fühlen, Riechen und Sehen, wird die Erinnerung an die Geschichte noch besser und tiefer verankert. Dabei reicht eine induzierte Erinnerung im Kopf an einen Duft oder die Vorstellung eines Gefühls oder einer Berührung laut Professor Herbst bereits völlig aus. Durch den Rückgriff auf erlernte Erlebnisse kann die Wirkung einer Story dadurch beim Zielpublikum sogar noch verzehnfacht werden. Emotionales Erleben ist für die Wirkung einer Geschichte beim Publikum extrem wichtig.

Digitale Instrumente

Bei der Anwendung der Technik im digitalen Storytelling spielt das Smartphone eine entscheidende Rolle. Als persönlicher Begleiter ist es bei den modernen Menschen fast immer und überall dabei. Mit interaktiven Anwendungen wie Augmented Reality, QR-Codes oder iBeacon können damit reale Installationen mit digitalem Inhalt aufgeladen werden. Aber trotz Technik zählt nach Herbst weiterhin der Inhalt / Content.  Ohne guten Inhalt nutzt die ganze Technik nichts.

Die Besonderheiten des Digital Storytelling

Erst wird kopiert und wiederholt, dann schälen sich die Besonderheiten des Mediums erst wirklich heraus. Laut Professor Herbst sind das:

1. Vernetzung

Neue Erzählformen sind möglich. Der Nutzer kann den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Nutzer können von Endgerät zu Endgerät und von Plattform zu Plattform wechseln. Komplexität in der Geschichte, aber ohne technische Überforderung, mahnt Herbst an. Ein gemeinsames Erleben der Geschichte über soziale Netzwerke ist möglich.

2. Interaktivität  

Interaktivität ist der größte Vorteil des Digitalen Storytellings, sowohl technisch, als auch eine persönliche und inhaltliche Interaktivität wird damit möglich. Die Nutzer selbst interagieren mit der Geschichte und damit entstehen komplett neue Erzählformen und Handlungsstränge. Herbst warnt aber vor zu vielen Fragen und Entscheidungsmöglichkeiten. Diese hindern und überfordern die Nutzer und wirken sich somit negativ aus. Nur die wirklich wichtigen Entscheidungen wollen von den Nutzern getroffen werden.

Am Beispiel von IKEA zeigt Herbst die Wirkung von Digitalen Erzählformen. Nils richtet eine Wohnung ein. Er findet es beeindruckend, wie diese Geschichte die Menschen dazu bringt sich zwei Wochen lang mit dem IKEA Katalog zu beschäftigen.

Audio Visual Days 2014 München Richard Gutjahr

Audio Visual Days 2014 München Richard Gutjahr Foto: Schleeh

VoD – Quo Vadis? Ein Ausblick

Nach dem Professor hatte Richard Gutjahr seinen Auftritt. Leider musste er danach sofort zum Flughafen, sonst hätten wir noch ein Live-interview via Hangout on Air gemacht.

Richard berichtete über den Medienwandel und die neuen Player im „Fernsehgeschäft“. Seine These: „Brauchen wir überhaupt noch TV-Sender?“ Neue Anbieter wie Netflix haben enorme Zuwächse in den USA zu verzeichnen. Das Internet verändert die Spielregeln und straft altes Denken gnadenlos ab. Video on Demand wird vor Allem bei der jungen Generation dem klassischen Fernsehen den Rang ablaufen. In der anschließenden Podiumsdiskussion war die Deutschland Managerin der Plattform Magine Friederike Behrends dabei. Das aus Schweden kommende Unternehmen Magine bietet seit Kurzem eine Vielzahl von Fernsehsendern über das Internet an. Das Besondere an Magine im Gegensatz zu Zattoo ist, das man dort Serien und Filme auch zeitversetzt sehen kann. Dazu hat Magine spezielle Verträge mit den Sendern und Rechteanbietern.

Der personalisierte Fernseher

Sehr interessant war noch der Vortrag von Kai Prohaska, Teveo Interactive. Er zeigte uns, wie aus einem unpersönlichen Smart-TV ein personalisierter Fernseher wird. Ist das Smart-TV an das Internet angeschlossen, sind so die Ausspielungen personalisierter Werbung via Internet möglich. Dazu muss nur einmal ein eingeblendeter Code am Smartphone oder Tablet eingegeben werden, oder ein QR-Code abgescannt werden. Damit ist dann dieser Fernseher auf den Nutzer bei Teveo via TV-ID eingetragen. Ich musste unwillkürlich an Minority Report denken, wo dem Hauptdarsteller ständig personalisierte Werbung gezeigt wurde.

 

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