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Das Google Glass Experiment auf der re:publica #rpstory13

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Der Auslöser

Auslöser für die Aktion war der Blogpost von Gerhard Schröder, der am 13.04.2013 in Essen Bilder von Menschen mit einer Fake-Google Glass auf der Nase gemacht hat.

Foto: terraeuro/Flickr CC BY 2.0

Eine 3D-Datei zum Download für die Brille fand ich dann auf der Makerbot Thingiverse Seite. Damit kann man auf jedem Makerbot 3D-Drucker die Brille ausdrucken.

Google Glass 3D unberabeitet

Bei mir lief das über Nils Hitze, besser bekannt als Kojote. Der wohnt nicht weit weg von mir und ich habe ihm am 15.04.2013 kurz vor Mitternacht den Link zur Datei mit der Frage geschickt, ob er so etwas auch drucken könne. Er hat mir dann noch am selben Abend ein Exemplar in weiß ausgedruckt.

3D-Druck ist schon sehr faszinierend, denn bereits am nächsten Morgen war Nils mit diesem Bild auf Google Plus zu sehen:

Nils mit Google Glass Quelle: Nils Hitze auf Google plus

Wir hatten dann erst vor, die Brille am Dachauer Bahnhof zu übergeben, was wir dann doch für zu konspirativ hielten und so hat Nils mir die Brille ganz profan per Post zugesandt. 

Der Hintergrund

Schon seit sechs langen Jahre ist das iPhone auf dem Markt. Es hat damals 2007 einen Evolutionssprung für das mobile Internet und Social Media eingeläutet. Damals war das revolutionäre Potential dieser neuen Mobilfunkgeräte für mich nicht gleich ersichtlich. Als eingefleichter Nokia-Fan musste ich mir erst den Riesenvorteil des iPhones, die einfache Bedienung, erarbeiten. Mittlerweile rennt fast jeder mit so einem hellbunt leuchtenden flachen Täfelchen in der Hand durch die Gegend. Die Bildschirme werden immer größer, hochauflösender und dazu noch randloser (z.B. das neue Samsung Galaxy S IV).

iPhone Vorstellung der T-Mobile November 2007

Alle Welt wartet auf das „Next big thing“, diesmal von Google, sollte nicht auch Apple im Juni eine AR-Brille auf den Markt bringen. Auch die heftige Diskussion über Datenschutz und Dauerüberwachung zeigt, das es sich um eine disruptive, das bedeutet die Welt stark verändernde, Technologie handelt. Sascha Lobo schreibt in seiner Spiegel Online Kolumne Mensch und Maschine vom 07. Mai 2013 dazu:

Der große Unterschied zum Handy ist deshalb kein technischer, sondern ein sozialer, nämlich die weitgehende Unsichtbarkeit der Nutzung für Dritte. Daher rührt auch die Unruhe, die in der US-amerikanischen Medienlandschaft abseits der Nerdbegeisterung zu beobachten ist.

Genau diese soziale Komponente wollte ich mit dem Tragen einer Google Glass austesten. Wie reagieren die Menschen auf die Daten-Brille? In meinem Artikel If I had Glass – Der Smartphone Killer wage ich die kühne Behauptung:

Unsere Kinder und Enkel werden sich in 15 Jahren über die Bilder in Filmen wundern, in denen Menschen gezeigt werden, die auf der Straße laufen und in helle leuchtende Täfelchen blicken. Ich kann mir sogar vorstellen dass es in Zukunft, aus Sicherheitsgründen verboten sein wird, auf der Straße in Bildschirme zu schauen.

Gerade die von Sascha Lobo erwähnte Unsichtbarkeit der Nutzung macht den Vorteil für den Nutzer aus, birgt aber gleichzeitig die Unsicherheit für das Umfeld. Wie sich Ansichten und Verbote über die Zeit ändern können, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Auf der Heimfahrt von der re:publica habe ich auf Bayern 2 eine Sendung über das Rauchverbot Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gehört. Bis dato wusste ich nicht, das damals das Rauchen in der Öffentlichkeit verboten war. So könnte auch die Nutzung von Smartphones im Freien verboten werden, wenn man bessere und sicherere Möglichkeiten in der Zukunft hat.

Die Umsetzung

Um die Brille so echt wie möglich aussehen zu lassen, waren einige Modifikationen am 3D-Rohling nötig.  Man konnte bei der Brille die Form zwar gut erkennen, zur echten Illusion fehlten noch weitere Bearbeitungschritte.

UMTS Handy ausgeschlachtet

Für die Kameralinse musste mein altes UMTS-Handy amputiert werden. Die drehbare Linse habe ich ausgebaut und in ein gebohrtes Loch im Rohling eingeklebt.
Alle Verbesserungen der AR-Brille sind in den folgenden Vorher / Nachher Fotos fest gehalten.

Die Kameralinse

 

Die Nasenstützen und der Fake-Bildschirm

 

Der Batteriebügel hinter dem rechten Ohr

 

Die Gelegenheit

Nachdem der 3D-Rohling ordentlich gepimpt war, konnte die re:publica 2013 kommen. Ich war das erste Mal auf dieser Veranstaltung, die ich mit Spannung erwartete. Mein Bloggercamp Kollege Gunnar Sohn erklärte mir, es sei wie wenn man nach Hause kommt zu Freunden. Niemand würde mich dort wegen meines Equipments komisch ansehen. Alle würden ständig mit ihren Tablets, Smartphones und Laptops kommunizieren, bloggen und fotografieren. Alle möglichen nerdigen Typen würden dort rumlaufen und man würde sehr viele Bekannte aus dem Netz treffen. Genau so war es. Die re:publica ist definitiv die nerdigste und beste Veranstaltung, die ich bisher besucht habe.

Mit meiner gefakten 3D-Brille war ich sofort integriert. Soviel wie auf dieser Veranstaltung wurde ich in meinem Leben noch nie fotografiert. Ich hatte das Glück, das sonst niemand mit einer echten oder gedruckten Google Glass herum lief.

Meine Absicht mit dem Fake-Teil war es, auszuprobieren, wie die Menschen auf die doch sehr umstrittene Daten-Brille reagieren werden. Würde ich Probleme auf der Toilette bekommen? Welche Reaktionen ruft die AR-Brille bei den Menschen hervor? Wird jemand versuchen vor mir und der Brille weg zu laufen? Wird es Menschen geben, die mich wegen der Brille tätlich angreifen? Werden mich Menschen ansprechen? Ich war gespannt.

Ich wusste, das es außerhalb der USA keine echten Brillen gibt. Denn bei der Aktion #ifihadglass konnten nur US-Bürger teilnehmen und von den Brillen für die Teilnehmer der Entwickler-Konferenz Google IO war bereits über die äußerst restriktiven Auflagen berichtet worden.

Google behält sich in den Verkaufsbedingungen vor, das Gerät bei einem widerrechtlichen Verkauf, Verleih oder Weitergabe an jemanden Anderen, zu deaktivieren.  Dabei hat der Kunde dann keinerlei Anrecht auf einen Kostenersatz für die unbrauchbare Brille.

Hier die entsprechende Passage:

This Device Specific Addendum only applies if you purchase a Glass Explorer Edition Device.

You must be 18 years or older, a resident of the United States, and authorized by Google as part of the Glass Explorer program in order to purchase or use Glass Explorer Edition. Unless otherwise authorized by Google, you may only purchase one Device, and you may not resell, loan, transfer, or give your Device to any other person. If you resell, loan, transfer, or give your device to any other person without Google’s authorization, Google reserves the right to deactivate the Device, and neither you nor the unauthorized person using the Device will be entitled to any refund, product support, or product warranty.

Der Versuch eine Google Glass über Ebay zu versteigern wurde von Google sofort unterbunden.

Einzig Robert Scoble, genannt Scobleizer, war eine Woche zuvor auf der NEXT in Berlin mit einer echten Google Glass. Verschiedene Teilnehmer der re:publica hatten deshalb schon das Original gesehen oder sogar auf der Nase gehabt.

Das Ergebnis

Schon am ersten Tag wurde ich, auf einer Bank in der Sonne sitzend, angesprochen. Der Chef der Gastronomie setzte sich neben mich und fragte, als ich ihm den Blick zu wandte:

Nimmst Du mich jetzt auf, oder was?

Wie alle anderen klärte ich ihn sofort auf, das es sich bei meinem Modell um einen 3D-Druck handelt. Dann kamen wir ins Gespräch. Über die Brille, den Datenschutz, Bedenken und die Technologie, wie in so vielen ähnlichen Gesprächen die noch folgen sollten.

Offizielles re:publica Bild von mir: Fotograf: Gregor Fischer/Re:publica CC BY 2.0

Die heftigste Reaktion zeigte ein kleiner bärtiger US-Amerikaner, der mit einem breiten Grinsen fragte, ob er mich ins Gesicht schlagen dürfe. Er hat die Brille dann sogar ausprobiert, war aber nicht mit der Veröffentlichung seines Bildes im Netz einverstanden. Deshalb habe ich es sicherheitshalber gelöscht, statt es ihm wie gewünscht zu zu senden.

In den ganzen drei Tagen hatte ich sehr viele Gespräche und Kontakte durch die Brille. Grob kann man die Reaktionen in zwei Lager einteilen.

Das eine und bei weitem größte Lager waren die an der Technik Interessierten, die zielstrebig auf mich zu kamen und fragten ob sie die Brille einmal ausprobieren dürften. Diese Gruppe teilte sich dann noch in zwei Untergruppen auf, die Enttäuschten und die Nicht Enttäuschten.

Während sich die Enttäuschten teilweise ärgerlich wieder abwandten, wollten die anderen die Brille trotzdem aufsetzen und davon war der überwiegende Teil bereit ein Bild von sich machen und veröffentlichen zu lassen.

Für alle von Euch, die einmal sehen wollen, was man durch die Glass sieht, in diesem Video wird es gezeigt.

Menschen mit datenschutzrechtlichen Bedenken bildeten das zweite, sehr zurückhaltende Lager. Meist konnte ich diese Gruppe nur auf Grund der skeptischen und bisweilen sogar offen abschätzigen Blicke aus dem Augenwinkel heraus identifizieren.

Nur sehr wenige aus diesem Lager haben sich die Mühe gemacht mich anzusprechen und nur mit 2 davon hatte ich eine intensivere Diskussion. 

Bereits am Montag war Twitter voll von Google Glass Sichtungen auf der re:publica. Schnell hat sich auch bei vielen herum gesprochen, das die Brille ein Fake ist.

Es gab nette Tweets….

 

 

 

 

//platform.twitter.com/widgets.js…Aber auch weniger nette:

 

 

Aber auch Tweets, die die Angst und das Unbehagen der Menschen ausdrücken:

 

Selbst am letzten Tag sind noch Teilnehmer auf die Kopie herein gefallen.  Der lustigste Vorfall war im 3D-Drucker Panel am Mittwoch Morgen. Da saß ein Journalist des italienischen Wired-Magazins direkt neben mir in der ersten Reihe. Nach dem Ende des Vortrags kamen wir ins Gespräch und er wollte, wie so viele die Google-Brille aufsetzen und ausprobieren. Als ich ihm erklärte, das es sich dabei um einen nicht funktionalen 3D-Druck handelt, konnte er sich vor Lachen kaum halten. Er hatte vorher noch in der Veranstaltung getwittert, das neben ihm Einer mit einer Google Glass sitzt.

ecco, poi, di fianco a te un tizio indossa i Google Glass. Scary. #rp13 — Philip Di Salvo (@philipdisalvo) 8. Mai 2013

Übersetzt  schrieb er: “Hier sitzt doch tatsächlich ein Kerl neben mir mit einer Google Glass. Unheimlich”   Sein Bild mit der Brille auf der Nase veröffentlichte er im nächsten Tweet, der jetzt auch auf Wired.it mit den Worten steht:   “Ich habe die Google Glas anprobiert. Allerdings eine gefakte und von dem Genie @7xy in 3D ausgedruckte.”  

ho provato i Google Glass. Ma quelli fake e stampati in 3D da quel genio di @7xy #rp13 twitter.com/philipdisalvo/… — Philip Di Salvo (@philipdisalvo) 8. Mai 2013

Wie versprochen, habe ich eine Galerie aller Google Glassträger zusammen gestellt. Ihr könnt Euere eigenen Bilder gerne mit Namensnennung und wenn möglich mit Link auf meine Seite verwenden. [nggallery id=1] Zum Abschluss noch der Hangout on Air mit Lars Wienand von der Rhein-Zeitung, der mich zum Thema inteviewt hat. Darin erkläre ich ihm, warum ich das gemacht habe.       Auch Thomas Schwenke hat mich wegen meines kleinen Experimentes in seinen Podcast Rechtsbelehrung eingeladen, den ich sobald er erschienen ist hier noch einbinden werde.   Lars Wienand hat auch eine sehr schöne Zusammenstellung der Reaktionen auf Storify eingestellt.  //storify.com/larswienand/reaktionen-mit-google-glass-aus-dem-3d-drucker-auf.js

Update 15.05.2013: Google Glass – Rechtsbelehrung Folge 6 (Jura-Podcast)

[<a href=“//storify.com/larswienand/reaktionen-mit-google-glass-aus-dem-3d-drucker-auf“ target=“_blank“>View the story „Reaktionen: Mit gedruckter Google Glass auf der Re:publica“ on Storify</a>]Vielen Dank Euch Allen fürs Mitmachen bei meinem kleinen Experiment. Es hat Spass gemacht mit Euch zu diskutieren und zu spekulieren, wie und bis wann mit welchen Möglichkeiten diese neue Technologie eingesetzt werden kann.

Ich freue mich auf Euere Kommentare und Meinungen zur Google Glass.

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